«Mehrkosten von 4000 Franken fürs Essen»

    Am 13. Juni kommen mit der Trinkwasser- und Pestizidfrei-Initiative zwei extreme Agrarvorlagen zur Abstimmung. Sandra Helfenstein, Stv. Leiterin Departement Kommunikation und Services beim Schweizer Bauernverband, zeigt die negativen Folgen auf: Weniger heimische Produkte, mehr Importe, teurere Lebensmittelpreise, mehr Foodwaste sowie der Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung.

    (Bild: zVg) Die Bauernfamilien fürchten von billigen Importprodukten verdrängt zu werden. Entsprechend gross ist ihr Engagement.

    Am 13. Juni stimmen wir über die Trinkwasser- und Pestizidfreie-Initiative ab. Der Schweizer Bauernverband wehrt sich vehement dagegen. Was sind Ihre Hauptargumente?
    Sandra Helfenstein: Die beiden Initiativen sind sehr extrem. Sie stellen Forderungen, welche die regionale Lebensmittelproduktion gefährden, Importe fördern und die Preise fürs Essen in die Höhe treiben würden. Entsprechend wären auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft betroffen.

    Haben denn diese beiden Agrarinitiativen, die ja unsere Umwelt und Gesundheit schützen wollen, keinen Mehrwehrt für die Umwelt und Trinkwasser?
    Für einen besseren Schutz der Umwelt und des Trinkwassers brauchen wir die beiden Initiativen nicht: Das Parlament hat dieses Frühjahr das europaweit strengste Pestizidgesetz verabschiedet. Es geht also sowieso schon viel in diesem Bereich. Ganz abgesehen davon, dass die einheimischen Bauernfamilien bereits seit Jahren aktiv an Verbesserungen arbeiten. So setzen sie heute mehr als 40 Prozent weniger chemische Pflanzenschutzmittel ein, als noch vor zehn Jahren. Die Hälfte aller verwendeten Mittel sind solche, die auch im Biolandbau zugelassen sind.

    Sie argumentieren auch die Pestizidfreie-Initiative bringt weiter Probleme mit sich. Erklären Sie das!
    Die Pestizidfrei-Initiative trifft nicht nur die Bauernfamilien, sondern auch stark die Konsumenteninnen und Konsumenten. Diese hätten im Laden keine Auswahl mehr. Es gäbe nur noch Bio. Für eine vierköpfige Familie würden die Kosten fürs Essen um rund 4000 Franken pro Jahr steigen. Wer sich das nicht leisten kann oder will, der geht dann im umliegenden Ausland einkaufen. Der Einkaufstourismus würde also massiv angekurbelt.

    Hand aufs Herz: Wie sauber sind denn unsere Böden und unser Trinkwasser wirklich, werden da nicht Grenzwerte überschritten und zu viele Pestizide eingesetzt?
    Die Qualität des Trinkwassers ist gleich gut wie immer. Was sich geändert hat, ist der Grenzwert. Dieser wurde von den Behörden praktisch über Nacht massiv verschärft, weshalb es zu all den Schlagzeilen kam. Die Kantonschemiker geben aber schon lange Entwarnung. Es besteht keine Gefahr für die Gesundheit, unser Hahnenwasser kann man nach wie vor bedenkenlos trinken. Und sowieso: Niemand will belastetes Wasser. Es ist unser aller Ziel, dieses sauber zu halten!

    Wie sehr berücksichtigen die Bauernfamilien den wichtigen Faktor Biodiversität?
    Die Biodiversität und speziell auch die Insekten sind für die Landwirtschaft sehr wichtig. Sie bestäuben viele Kulturen. Unterdessen scheiden die Bauernfamilien 190’000 ha Fläche aus, um Lebensraum für Wildtiere und -pflanzen zu schaffen. Das ist dreieinhalb Mal die Fläche des Bodensees.

    Sie bezeichnen die Trinkwasserinitiative als Trojanisches Pferd. Wie denn das?
    Ja, die Trinkwasserinitiative ist eine Mogelpackung. Es geht bei ihr nicht ums Wasser, sondern um die Direktzahlungen. Die Anforderungen, um diese weiter zu erhalten sind so unrealistisch gestellt, dass viele Betriebe darauf verzichten werden. Dann müssen sie auch den ökologischen Leistungsnachweis nicht mehr einhalten. Das wäre dann für das Trinkwasser und die Ökologie sogar kontraproduktiv.

    Zum Abschluss kurz und bündig: Wieso soll man am 13. Juni zwei Mal Nein stimmen?
    Wer weiterhin nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region von guter Qualität und zu bezahlbaren Preisen möchte, der stimmt am 13. Juni Nein.

    Interview: Corinne Remund

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