Schauen wir Trash-TV auf Kosten von unserer Bildung?

    KOLUMNE:


    Jugend von heute

    «Hesch gseh, d Bachelorette isch nüm mit ihrem Fründ zäme.» «Lueg was er letztes uf Instagram postet het – voll peinlich.» Das Phänomen des «Lästerns/Tratschen» ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Es schweisst zusammen und verbündet, verbreitet aber auch Unruhe und schliesst aus. Das Reden und informieren über das Leben anderer ist nicht erst seitdem Aufkommen von Social Media ein Bestandteil unserer gesellschaftlichen Alltags. «Nachbarn, die mit dem Feldstecher am Fenster stehen und jeden Besucher des anderen Hauses aufs kleinste Detail analysieren», so schilderte mir mein Grosi die Situation aus ihrer Zeit. Die Faszination an dem Leben anderer bestand schon immer. Laut Studien drehen sich rund ein bis zwei Drittel unserer Gespräche um Personen, die nicht anwesend sind. Vielleicht weil es spannender ist, vielleicht weil es von den eigenen Problemen ablenkt oder weil man das Leben anderer wie ein Fernsehdrama geniessen kann, ohne ein Gramm Verantwortung dafür zu tragen.

    Nun, durch die Digitalisierung und Social Media, hat sich eine neue Dynamik entwickelt. Der Zugang zum Leben anderer ist viel leichter zugänglich als früher. Lebensinhalte verschmelzen und dies machen sich Fernsehanbieter als Marketing-Strategie zunutze. Im Schweizer Fernsehen verteilt eine Frau einem Mann ihre letzte Rose und im deutschen Fernsehen sucht ein Mann aus 21 Männern sein Partner fürs Leben aus. Die Konzepte sind primitiv, eintönig und trotzdem brechen Formate wie diese regelmässig die Einschaltquoten. Statistiken des deutschen Fernsehmarktes zeigen, dass mehr Menschen private Sender schauen, die Lifestyle-Formate vermarkten, wie die ARD oder das Erste Deutsche Fernsehen. «TrashTV», wie es auch genannt wird, hat keinen Bildungsmehrwert und dennoch begeistert es die Massen. Sollte uns diese Entwicklung zu denken geben? Verdummt die Menschheit gar daran?

    So drastisch ist es zum Glück nicht. Einige Psychologen sind nämlich sogar der Meinung, dass ein gewisser Grad an «Tratschen» gut für unsere eigene Psyche ist. Die Betonung liegt hierbei auf «in einem gewissen Grad». Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag kann TrashTv oder Social Media als kurze Erholungspause dienen, da man somit auf andere Gedanken kommt und das Gehirn abschalten kann. Jedoch sollte dies nicht zur Gewohnheit werden. Trash-TV mag abwechslungsreich und spannend sein, aber nur Bildungsfernsehen beeinflusst unser Leben und Denken langfristig und bringt uns weiter. Die Work-Life-Balance, die wir alle in unserem Arbeitsleben anstreben, sollte sich deshalb auch in unserem Mediengebrauch einpendeln. Wir können uns über das Leben anderer informieren und uns darüber aufregen, wenn das Bachelorette-Paar nach einigen Wochen schon wieder getrennte Wege geht. Wir sollten uns aber auch regelmässig über das aktuelle Weltgeschehen informieren und diesem kritisch gegenüber stehen. Das Internet öffnet uns viele Türen für neue Bildungsformate. In Form von Podcasts, Reels (kurze Videos auf Instagram), Dokus oder doch traditionellen Artikel, die Möglichkeiten scheinen unendlich und davon sollten wir profitieren. Tratschen und Trash-TV mag zwar in einem gewissen Grad gut für die eigene Psyche sein, aber für ein gutes Zusammenleben in der Gesellschaft sind gebildete und aufgeklärte Menschen Pflicht. Für das müssen wir alle aktiv unseren Beitrag leisten und deshalb sollten wir abends auch einmal Tagesschau schauen anstatt «Bachelorette».

    Herzlichst
    Lilly Rüdel


    Anmerkung der Kolumnistin:
    Der Begriff «Lästern/Tratschen» bedeutet in diesem Kontext, das Reden über das Leben anderer, nicht aber das Hetzen und böswillige Herziehen über andere Menschen.

    Vorheriger ArtikelBeste Filmmusik in der Tonhalle Zürich
    Nächster ArtikelBadespass heisst Verantwortung übernehmen